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Dr. Maya Neidenowa
RechtsanwältinGinka Tabanska
RechtsanwältinIm Gesetzblatt Nr. 63 vom 4. August 2006 wurde das neue Gesetz über die Mehrwertsteuer (MwStG) veröffentlicht. Es tritt mit dem Tag in Kraft, mit dem Bulgarien Mitglied in die EU wird, d.h. laut dem letzten Bericht der EU-Kommission am 01.01.2007. Das gleiche gilt auch für die in Gesetzblatt Nr. 76 vom 15 September 2006 veröffentlichten Durchführungsbestimmungen zum Mehrwertsteuergesetz.
Mit diesem Datum wird zugleich das bisher geltende Gesetz über die Mehrwertsteuer von 1998 und seine Durchführungsverordnung keine Anwendung mehr haben. Mit Eintritt in den Europäischen Binnenmarkt wird das neue Verfahren der Mehrwertbesteuerung von Lieferungen zwischen in Bulgarien ansässigen Unternehmen, Personen und solchen in den Mitgliedsstaaten der EU eingeführt. Da innerhalb des Gemeinsamen Europäischen Marktes die Begriffe Import und Export nicht bestehen, werden im neuen Gesetz zwei neue Begriffe eingeführt – innergemeinschaftliche Lieferung, die das bisherige Exportverfahren ersetzt und innergemeinschaftlicher Erwerb, der das Importverfahren ersetzt. Das neue Gesetz regelt ebenfalls das Verfahren der Besteuerung der innergemeinschaftlichen Dienstleistung.
Im Bezug auf den Im -und Export von Bulgarien in Drittstaaten und Gebiete (außerhalb des EU-Gebietes) gelten die bisherigen Bestimmungen weiter fort.
Neu für Bulgarien ist das Verfahren der Besteuerung von Fernverkäufen sowie von Dreiecksgeschäften. Das sind zwei der bekanntesten Formen des innergemeinschaftlichenWarenhandels.
Wenn eine Ware von einem Mitgliedsstaat in einem andern Mitgliedsstaat geliefert wird und der Erwerber nicht nach der Mehrwertsteuer in diesem anderen Mitgliedsstaat registriert ist, kann nicht das Verfahren der innergemeinschaftlichen Lieferung und Erwerb angewandt werden, da die eine Partei nicht angemeldet ist. In diesem Fall liegt ein Fernverkauf vor. Bei Fernverkäufen verlangt die europäische Gesetzgebung das Erreichen der sog. „Schwelle für Fernverkäufe”, der Lieferant hat sich nach der Mehrwertsteuer in dem Mitgliedsstaat anzumelden, in dem die Waren geliefert werden und entsprechend die Mehrwertsteuer dort abzuführen. Die Schwelle (Umsatz) der Fernverkäufe in den meisten europäischen Staaten wie in Bulgarien beträgt 35.000,00 EURO. Bis zum Zeitpunkt der Anmeldung in einem anderen Mitgliedsstaat werden diese Lieferungen in dem Versenderland besteuert, in dem der Lieferant nach der Mehrwertsteuer angemeldet ist.
Dreiecksgeschäfte liegen vor, wenn die Ware von einer Person geliefert wird, die in einem Mitgliedsstaat angemeldet ist (Veräußerer) an eine Person, die in einem zweiten Mitgliedsstaat registriert ist (Vermittler), die ihrerseits diese Waren an eine Person liefert, die in einem dritten Mitgliedsstaat angemeldet ist (Erwerber). Die Ware wird dabei vom ersten Staat in den dritten Staat transportiert, ohne den zweiten Staat zu durchqueren. In diesem Fall muss nach dem Gesetz der Veräußerer Mehrwertsteuer mit Steuersatz 0 dem Vermittler anrechnen, wobei er seinerseits in der Rechnung gegenüber dem Erwerber aufführen muss, dass die Lieferung vom zweiten in den Drittstaat steuerfrei ist. Damit entsteht für die Person, die die Ware erwirbt, die Verpflichtung, in dem Drittstaat die Mehrwertsteuer zu dem jeweiligen Mehrwertsteuersatz zu berechnen.
Das neue Gesetz ermöglicht auch die freiwillige Mehrwertsteueranmeldung ohne Rücksicht auf den realisierten Umsatz, im Gegensatz zu dem bisher geltenden Verfahren einer freiwilligen Anmeldung bei einem erreichten Umsatz von 25.000,00 Leva. Das bedeutet, dass jede Person, die eine Wirtschaftstätigkeit ausübt, sich nach der Mehrwertsteuer anmelden kann. Hierunter fallen auch und das ist neu – die freien Berufe.
Zugleich wird jedoch die Schwelle der Pflichtanmeldung bei einem Umsatz von 50.000 Leva beibehalten. Das Gesetz sieht auch einige besondere Verfahren für die Pflichtanmeldung vor:
- Anmeldung von Personen, die innergemeinschaftliche Käufe tätigen. Es handelt sich um die nicht nach dem Mehrwertsteuergesetz verpflichteten juristischen Personen (wie Ministerien, Gemeinden, Krankenhäuser, NGOs und andere) und um Personen, die nicht auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage nach der Mehrwertsteuer angemeldet sind. Die Verpflichtung für eine Anmeldung entsteht, wenn der Gesamtwert der zu versteuernden innergemeinschaftlichen Käufe durch eine solche Person für das Kalenderjahr 20.000 Leva übersteigt.
- Die Anmeldung von Personen, die nur in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sind und zu versteuernde Lieferungen von Waren durchführen, die auf dem Gebiet Bulgariens von oder für ihre Rechnung montiert oder installiert werden;
- Die bereits oben erwähnte Anmeldung von Personen, die Fernverkäufe durchführen mit Erfüllungsort auf dem Gebiet Bulgariens; – Die sog. „Anmeldung in Folge einer Umwandlung”
- die Verpflichtung entsteht für eine Person, die Waren oder Dienstleistungen von einer angemeldeten Person aus einem der folgenden Gründe erwirbt: 1) Umwandlung einer Handelsgesellschaft nach dem Verfahren des Teil 16 des Handelsgesetzes; 2) Übertragung eines Unternehmens nach Art. 15 oder 60 des Handelsgesetzes; 3) Einbringung einer Sacheinlage in einem Unternehmen.
Die Anmeldung ausländischer Personen, die nicht in dem Land ansässig sind, wird auf der Grundlage der Fiskalvertretung durchgeführt, wie es bereits das geltende Mehrwertsteuergesetz vorsieht. Der Fiskalvertreter vertritt die ausländische Person in allen steuerrechtlichen Rechtsbeziehungen, die aufgrund der Mehrwertsteuer entstehen. Er haftet solidarisch und uneingeschränkt für die Mehrwertsteuerverpflichtungen der angemeldeten ausländischen Person in Bulgarien.
Mit Eintragung in dem Mehrwertsteuerregister werden die Personen eine Identifikationsnummer zum Zwecke der Mehrwertsteuer erhalten, die mit dem Zeichen “BG” beginnt. Innerhalb einer siebentägigen Frist nach Einreichung des schriftlichen Antrages erfolgt die Ausstellung einer gesonderten Bescheinigung zum Nachweis der MwSt.-Anmeldung im Ausland.
Alle Personen, die nach dem jetzt geltenden MwSt.-Gesetz angemeldet sind, werden mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes auch als nach diesem gemeldet betrachtet. Die Identifikationsnummer und die Bescheinigung dieser Personen werden per Dienstweg ausgestellt und innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten der Durchführungsverordnung zum Mehrwertsteuergesetz, also voraussichtlich bis zum 01.02.2007 zugestellt.
Außerdem führt das Gesetz für Personen, die innergemeinschaftliche Lieferungen oder Lieferungen als Vermittler in einem Dreiecksgeschäft durchführen, die zusätzliche Verpflichtung zur Einreichung einer sog. „VIES-Erklärung” ein. Die “VIES Erklärung” (Value Added Tax Information Exchange System) ist eine allgemeine Erklärung zwecks Kontrolle und Informationsaustausch innerhalb der Mitgliedsstaaten. Die Erklärung wird nach einem Muster (Anlage Nr. 14 der Durchführungsordnung zum Mehrwertsteuergesetz) abgegeben.
Die Übergangs- und Schlussbestimmungen des neuen Gesetzes sehen vor, dass die bisher bestehenden MwSt.-Sonderkonten entfallen und die dort vorhandenen Beträge von den Handelsbanken innerhalb einer 15-tägigen Frist auf ein vom Titular benanntes Konto überwiesen werden. Das bedeutet in der Praxis, dass bei einer Mehrwertsteuerrückerstattung die Beträge direkt auf den laufenden Konten eingehen, wie es auch in Deutschland üblich ist.
Von wesentlicher Bedeutung für den Immobilenmarkt sind auch einige Änderungen in der Besteuerung der Geschäfte mit Grund und Boden und von Gebäuden. Die bisher mit Mehrwertsteuer veranlagten Geschäfte mit alten Gebäuden und den dazugehörenden Grundstücken gelangen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes in dem Kreis der sog. „nicht zu versteuernden Lieferungen”. Im Sinne des Gesetzes ist ein Gebäude „alt“, wenn es vor mehr als 5 Jahren von den Baubehörden zur Nutzung freigegeben worden ist. Die Übertragung des Eigentumsrechtes auf landwirtschaftlichem Grund und Boden, die Gründung oder Übertragung von beschränkten Sachenrechten auf landwirtschaftlichem Grund und Boden sowie ihre Vermietung oder Verpachtung bleiben steuerfrei. Eine spezifische Besonderheit des Gesetzes in den oberen Fällen ist die Möglichkeit des Eigentümers, frei zu entscheiden, ob er MwSt. berechnen möchte oder nicht.
Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage wird jedoch die Übertragung des Eigentumsrechtes auf einem regulierten Grundstück (d.h. Grundstück, auf dem gebaut werden kann), mit Ausnahme des Terrains für Gebäude, die nicht neu sind sowie die Eintragung und Übertragung anderer Sachenrechte auf diesen Grundstücken jetzt mit Mehrwertsteuer belegt.
Wesentliche Kritiken waren anlässlich der solidarischen Haftung für Personen-Erwerber von zu versteuernden Lieferungen – erhoben worden. Die Frage betraf die geschuldete, aber nicht abgeführte Mehrwertsteuer des Verkäufers. Die Erwerber haften dann solidarisch mit dem Verkäufer, wenn sie gewusst haben oder hätten wissen müssen, dass die Steuer nicht beim Fiskus eingezahlt wird, ohne Unterschied ob dadurch ein konkreter Vorteil realisiert worden ist oder nicht. Diese Regel ist mit dem Ziel eingeführt worden, Missbrauch und Steuerbetrugsfälle mit der Mehrwertsteuer zu reduzieren. Das neue Gesetz sieht die gleiche solidarische Haftung auch für die Lieferanten in einer Lieferantenkette der Person vor, die die nicht eingezahlte Steuer schuldet.