Publikationen
Dr. Maya Neidenowa
RechtsanwältinGinka Tabanska
RechtsanwältinDie Änderungen im Zusammenhang mit der Besteuerung von Zinseinkünften ausländischer Personen mit Quelle in Bulgarien beruhen zum einen auf Änderungen der nationalen Gesetzgebung und zum anderen, was die Zinseinkünfte betrifft, die von in Bulgarien ansässigen natürlichen und juristischen Personen an in der Bundesrepublik ansässigen natürlichen und juristischen Personen ausgezahlt werden, auf das am 21.12.2010 in Kraft getretene neue Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Bulgarien und der Bundesrepublik Deutschland (DBA)(Gesetzblatt Nr. 6 /2011).
In der innerstaatlichen Gesetzgebung ist die Änderung im Gesetz über die Körperschaftsbesteuerung von Bedeutung (Gesetzblatt 94/2010), mit der die Bestimmungen der Richtlinie 2003/49/ЕU, die die Zinsbesteuerung zwischen verbundenen Gesellschaften in verschiedenen EU Mitgliedsstaaten betreffen, implementiert wurden. Nach der neuen Bestimmung des Art. 200а des Gesetzes, in Kraft ab dem 1.1.2011, wird der Steuersatz auf die Zinseinkünfte, die eine inländische juristische Person an eine ausländische, in der EU belegenen, juristischen Person auszahlt, auf 5 % reduziert. Der Standartsteuersatz bleibt ansonsten, wie bisher, 10%.
Damit der reduzierte Steuersatz Anwendung findet, müssen beide Gesellschaften verbundene Personen sein, die Kriterien hierfür sind im Gesetz abschließend benannt. Nach Art. 200а Abs. 4, Pkt. 2 ist eine juristische Person mit einer anderen juristischen Person verbunden, wenn zumindest eine der folgenden Bedingungen zum Zeitpunkt der Anrechnung der Einkünfte vorliegt:
а) die erste juristische Person ist für mindestens zwei Jahre durchgehend mindestens zu 25% am Kapital der zweiten juristischen Person beteiligt;
b) die zweite juristische Person ist für mindestens zwei Jahre mindestens zu 25% am Kapital der ersten juristischen Person beteiligt;
c) eine dritte juristische Person, inländische oder in den EU- Mitgliedsstaaten belegen, ist durchgehend mindestens für zwei Jahre mindestens zu 25 % am Kapital der ersten und zweiten juristischen Person beteiligt.
Nicht alle Gesellschaftsformen, die die oberen Voraussetzungen für verbundene juristische Personen erfüllen, können von den Steuervergünstigungen Gebrauch machen. Die Vergünstigungen gelten nur für die Gesellschaftsformen, die in der Anlage № 5 zum KörperschaftStG genannt sind und die der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat mit den in der Anlage № 6 des Gesetzes genannten Steuern unterliegen.
Die Gesellschaftsformen deutschen Rechts, die von dieser Steuervergünstigung Gebrauch machen können, sind die „Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ und die „bergrechtliche Gewerkschaft“ , und das nur in den Fällen, in denen diese in der Bundesrepublik Deutschland mit Körperschaftsteuer belegt werden, ohne entsprechende Befreiungstatbestände.
Für die natürlichen Personen gibt es keine wesentlichen Änderungen auf dem Gebiet der Quellenbesteuerung. Der Steuersatz für die Zinseinkünfte mit Quelle in Bulgarien bleibt weiterhin 10% gemäss Art. 46 Abs. 1 iVm Art. 37, Abs. 1, Pkt. 3 bulgarisches Gesetz über die Einkommensteuer.
Somit können die juristischen Personen, die die oben genannten Kriterien erfüllen, ab 2011 einen reduzierten Quellensteuersatz von 5 % geltend machen.
Zugleich unterlagen jedoch die Zinszahlungen bis Ende 2010 nach dem bis dahin geltenden DBA zwischen Bulgarien und der Bundesrepublik Deutschland an in Deutschland ansässige Personen einer Quellensteuerbefreiung. Gemäß dem neuen DBA beträgt ab 2011 die Ermäßigung bei der Quellensteuer auf Zinsen grundsätzlich 5%.
Unter diesem Umstand ist für die juristischen Personen, die die Kriterien des Art. 200a KörperschaftStG erfüllen, die Anwendung des reduzierten Steuersatzes nach der innerstaatlichen Gesetzgebung im allgemeinen praktikabler als das zusätzlichen Verfahren zur Anwendung des DBA, das zum gleichen Steuervergünstigungsumfang führen würde.
Das gilt jedoch nicht in den Fällen, in denen der Empfänger auch Benefizient ist und die Zinsen bezahlt wurden: а) im Zusammenhang mit einem Kreditverkauf für eine Industrie-, Handels- oder Wissenschaftseinrichtung; b) im Zusammenhang mit einem Kreditverkauf von Waren eines Unternehmens an einem anderen Unternehmen oder c) einem Kredit jeder Art, vergeben von einer Bank. In diesen Fällen unterliegen die Zinseinkünfte nach Art. 11, Abs. 4 des neuen DBA zwischen Bulgarien und der Bundesrepublik Deutschland einer vollen Befreiung und die Anwendung des Abkommens wirkt sich begünstigender aus als die Anwendung des Art. 200а KörperschaftStG. Man muss jedoch berücksichtigen, dass nach 2014 die nationalen Bestimmungen, als Folge der seitens Bulgarien übernommenen EU-Beitrittsverpflichtungen, erneut geändert werden müssen, wobei bei Erfüllung der weiter oben genannten Kriterien der Steuersatz auf 0% reduziert werden muss, d.h. die Zinseinkünfte nach Art. 200а KörperschaftStG werden vollends von der Quellensteuer befreit.
Um den reduzierten Steuersatz sowohl nach Art. 200а KörperschafStG als auch nach dem Verfahren des Art. 11, Abs. 2 DBA geltend zu machen, muss der Empfänger der Zinseinkünfte auch ihr tatsächlicher Nutzungsempfänger sein. Mit der ab 2011 geltenden neuen Bestimmung des Art. 136а Steuerverfahrensgesetzbuch ist in der bulgarischen Gesetzgebung der Begriff des Benefizienten der Einkünfte eingeführt worden.
Nach diesem Begriff ist die ausländische Person Benefizient der Einkünfte wenn (1) sie das Recht hat, über die Einkünfte zu verfügen und über ihre Verwendung zu entscheiden und das gesamte oder einen wesentlichen Teil des Risikos aus der Tätigkeit trägt, aus der die Einkünfte realisiert werden, und (2) nicht als eine Durchlaufgesellschaft handelt. Die Definition der „Durchlaufgesellschaft” ist in Abs. 2 des neuen Art. 136а Steuerverfahrensgesetzbuch enthalten. Ziel der Einführung der neuen Begriffe ist die Verhinderung einer Steuerumgehung. Es ist zu berücksichtigen, dass die Anforderung an den Benefizienten der Einkünfte auch deren tatsächlicher Erwerber zu sein, um Steuervergünstigungen nach den DBA geltend zu machen, allgemein für alle Einkunftsformen aus einer Quelle gilt.
Sehr häufig wird angenommen, ausgehend vom Text des DBA, dass die Quellensteuer nur bei einer faktischen Auszahlung der Zinsen geschuldet wird. Nach dem Kommentar zum OECD-Musterabkommen hat der Begriff „gezahlt” eine sehr weite Bedeutung, da das Verständnis der Zahlung eine Erfüllung der Verpflichtung bedeutet, dem Gläubiger Mittel zur Verfügung zu stellen, in der Weise, wie im Vertrag vorgesehen oder gemäß der Üblichkeit. Eine solche Auslegung hat sich auch in der bulgarischen Gesetzgebung durchgesetzt. In Art. 37 des Einkommensteuergesetzes spricht man von Einkünften, die an eine ausländische Person „angerechnet/bezahlt” werden, und in Art. 202, Abs. 2 KörperschaftStG ist der Anfangszeitpunkt, mit dem die Frist zur Zahlung der Quellensteuer beginnt, das Datum der Anrechnung der Einkünfte. Sollten die Zinsen folglich jährlich angerechnet werden, wie am häufigsten in der Praxis angetroffen, wird auf diese Quellensteuer geschuldet, unabhängig von dem Umstand, ob diese auch effektiv ausgezahlt wurden.
Das führt in der Praxis zu der Situation, dass eine im Inland belegene Gesellschaft mangels Geldmittel keine Zinsen an ihren ausländischen Gesellschafter/Kreditgeber/ auszahlen kann, jedoch ist sie zugleich verpflichtet, an den Staatshaushalt Quellensteuer abzuführen. Für diesen Zweck müssen die ausländischen Gesellschafter erneut die bulgarische Gesellschaft kreditieren. Für eine engere Auslegung des Begriffes „gezahlt“ sprechen § 45e des deutschen Einkommensteuergesetzes und § 26 Abs.6 des deutschen Körperschaftsteuergesetzes, der auf die EU-Richtlinie 2003/49 verweist. Beide hier genannten Bestimmungen betreffen die Besteuerung von Zinszahlungen von Sparanlagen mit ausländischem Bezug natürlicher Personen, die in der EU ansässig sind, bzw. Zinszahlungen zwischen verbundenen juristischen Personen, ansässig in der EU.
Da die Quellenbesteuerung nach dem neuen DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bulgarien für Beträge gilt, die am oder nach dem 1. Januar 2011 gezahlt (angerechnet) werden, gilt für die zuvor angerechneten Zinseinkünfte die volle Steuerbefreiung im Ursprungsstaat.
Für die nach dem 1.1.2011 angerechneten Zinsen muss das neue DBA angewandt werden. Gemäß der letzten Fassung des Art. 142 Steuerverfahrensgesetzbuches (Gesetzblatt 14/ 2011, in Kraft ab 15.02.2011), ist bis zu einem Umfang bis 500.000,00 Leva jährlich bei einer Quellenbesteuerung einer ausländischen Person ein Antrag zur Anwendung des Abkommens bei dem Finanzamt nicht erforderlich, d.h. der reduzierte Steuersatz von 5% wird direkt angewandt, nachdem der Einkunftszahler die Unterlagen erhält, die nachweisen, dass der Einkunftsempfänger eine in der Bundesrepublik ansässige Person und der tatsächliche Benefizient der Einkünfte ist. Diese (neue) Schwelle zur Beantragung der Anwendung des Abkommens gilt für alle Einkunftsformen, die mit Quellensteuer belegt werden.
Neu ist auch die Anforderung nach Art 142, Abs. 5 Steuerverfahrensgesetz zur Vorlage einer Erklärung an das Finanzamt in Bezug auf den Umfang der ausgezahlten Einkünfte, die der Quellensteuer unterliegen und der vergebenen Steuervergünstigungen. Die Erklärung wird von dem Einkunftszahler solcher Einkünfte jährlich abgegeben (zum ersten Mal am 31. März 2012) und erfasst nur die Fälle der direkten Anwendung des DBA, d.h. die Fälle der Einkunftsauszahlungen an eine ausländische Person bis 500.000,00 Leva im Kalenderjahr pro Vertrag. Das Muster dieser Erklärung liegt seitens des Finanzamtes noch nicht vor.