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Dr. Maya Neidenowa
RechtsanwältinGinka Tabanska
RechtsanwältinDienstleistungen deutscher Unternehmer in Bulgarien werfen häufig die Frage über das mögliche Vorliegen einer Betriebsstätte auf.
Bulgarien hat sich in Bezug auf Art.5 des OECD-Musterabkommens -der die Betriebsstättenregelung betrifft- das Recht vorbehalten, als Betriebsstätte „die Dienstleistungserbringung, einschließlich Beratungsdienstleistungen, eines Unternehmens durch Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer zu betrachten, wenn diese Tätigkeiten auf dem Territorium des anderen Vertragsstaates (in Bezug auf das gleiche oder ein verbundenes Projekt) mehr als 6 Monate für die jeweilige12 Monatsperiode andauern“. Diese Regelung ist in den DBAs zwischen Bulgarien und Tschechei, Slowenien, Lettland, Rumänien und Israel übernommen worden.
Hingegen enthält das zwischen Bulgarien und der Bundesrepublik Deutschland geltende Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine solche Regelung nicht. Trotz dieser Tatsache besteht die Gefahr, dass bei Ausübung von Dienstleistungen durch deutsche Unternehmen die bulgarische Finanzverwaltung das Vorliegen einer Betriebsstätte in Bulgarien gem. Art.5 Abs.1 der DBA Abkommens zwischen beiden Staaten annimmt. Eine ähnliche Auffassung wird vertreten, wenn gleichzeitig folgende Kriterien erfüllt sind: das Vorliegen einer „festen Einrichtung“ in Bulgarien, von der aus die Person eine „Wirtschaftstätigkeit“ „für einen verhältnismäßig andauernden Zeitraum“ ausübt. In Bezug auf die „Dauer“ der Dienstleistungserbringung wird angenommen, dass bei einer Dauer der Tätigkeit unter 6 Monaten keine Betriebsstätte vorliegt.
Eine „feste Einrichtung“ liegt immer dann vor, wenn die Gesellschaft ihre Dienstleistungen über eigene oder gemietete Räume oder durch Gegenstände, die an einem konkreten geografischen Punkt angebracht sind, zur Verfügung stellt. Eine „feste Einrichtung” kann jedoch auch in Fällen vorliegen, die auf dem ersten Blick eine feste Einrichtung nicht annehmen lassen. Mit Entscheidung № 7393 vom 10.07.2007 hat das Oberste Verwaltungsgericht angenommen, dass das Zurverfügungstellen einer „ständigen Organisations- und Wirtschaftsberatung über die Verwaltung der Gesellschaft”, wenn diese in den Räumlichkeiten des bulgarischen Unternehmens –dem Dienstleistungsempfänger- erfolgt, die Voraussetzungen einer festen Einrichtung erfüllen, und führt aus, dass wegen der verhältnismäßigen Dauer der Dienstleistungserbringung „vom Territorium eines anderen Unternehmens” in Bulgarien im konkreten Fall eine Betriebsstätte vorliegt.
In Bezug auf die Projektierungsdienstleistungen und Bauaufsicht teilt Bulgarien nicht die Auffassung des OECD-Musterabkommens, in dem Sinne, dass diese Dienstleistungen unter dem Betriebsstättenverständis des Art.5, Abs.3 der Musterkonvention (bei Ausübung von Bauvorhaben und Montage) fallen, da sie dort nicht ausdrücklich genannt sind. Deshalb können Dienstleistungen, wenn sie nicht im jeweiligen Dienstleistungskatalog des Art.5 Abs.3 des Abkommens aufgeführt sind, eine Betriebsstätte auch dann begründen, sogar wenn die Tätigkeit zwischen 6 oder 12 Monaten andauert, wenn die Voraussetzungen der „festen Einrichtung“ erfüllt sind.
In Anbetracht des in den jüngst abgeschlossenen DBA-Abkommen Bulgariens übernommenen weiten Betriebsstättenbegriffes empfiehlt das Finanzministerium mit Weisung Nr. 24-00-9 vom 18.04.2008, die sich auf die Leiharbeit bezieht, „für den Fall, dass eine ausländische Person, Dienstleistungsempfänger für Arbeitnehmerüberlassung, die Arbeitnehmer mit Tätigkeiten beauftragt, deren Ausführung auf dem Territorium des Landes (Bulgarien) erfolgt, muss eine konkrete Beurteilung erfolgen, ob bei Verwirklichung der Tätigkeit über dieses Personal nicht die Kriterien zur Entstehung einer Betriebsstätte auf dem Territorium des Landes vorliegen.“
Bei Abkommen, die den weiten Betriebsstättenbegriff übernommen haben, kann eine Betriebsstätte angenommen werden, wenn die ausländische Gesellschaft ihre Dienstleistungen über Leiharbeitnehmer länger als 6 Monate in Bulgarien ausführen, auch wenn keine „feste Einrichtung“ vorliegt. Da das DBA mit Deutschland nicht den weiten Betriebsstättenbegriff enthält, muss hier zusätzlich, damit es zu einer Besteuerung in Bulgarien kommt, das Vorliegen einer „festen Einrichtung“ nachgewiesen werden. Nach dieser Weisung liegt keine Betriebsstätte im umgekehrten Fall vor, wenn die ausländische Person Leiharbeiter zur Verfügung stellt, die in Bulgarien Arbeiten ausführen, da die Ergebnisse aus dieser Arbeit direkt im Patrimonium (Eigentum) der die Dienstleistung annehmenden Person entstehen.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit das neue DBA-Abkommen zwischen Deutschland und Bulgarien, dessen Entwurf noch in diesem Jahr dem Parlament vorgelegt werden soll, weitere Klarheit über diese relevante Betriebsstättenfrage schafft.