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Dr. Maya Neidenowa
RechtsanwältinArbeitgeber und Arbeitnehmer haben einige Neuerungen zu beachten/ Neuer Ausbildungsvertrag im Rahmen der „Dualen Ausbildung“
Als eines der reformbedürftigsten Rechtsgebiete in Bulgarien gilt weiterhin das Arbeitsrecht. Das Parlament in Sofia hat im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Renten-, Sozialversicherungs- und Ausbildungsreformen einige weitreichende gesetzliche Änderungen im Arbeitsrecht vorgenommen. Die meisten der neuen Regelungen sind seit dem 17. Juli 2015 in Kraft.
Neue Urlaubsregelungen
Die Reformen der Urlaubsregelungen sind de facto ein Abwenden von den jeweiligen gesetzlichen Änderungen in 2010, die die Inanspruchnahme und den Verfall des Urlaubs durch die Arbeitnehmer im gleichen Kalenderjahr streng regulierten – zum einen wegen fehlender Praktikabilität der neuen Normen und zum anderen, weil einige der bisherigen Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt wurden.
So ist nun die Pflicht des Arbeitgebers entfallen, sogenannte Urlaubslisten/-zeiten der Arbeitnehmerschaft für das kommende Kalenderjahr zu genehmigen und zu führen. Die Änderung der zu Beginn des Jahres festgelegten Urlaubs war nur unter eingeschränkten Bedingungen möglich, was zu einer praktischen Nichtanwendung dieser Urlaubslisten durch die Unternehmen führte. Auch ist die Beschränkung weggefallen, lediglich zehn Tage des gesetzlichen Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr übertragen zu können.
Entsprechend soll jetzt der Arbeitgeber jeden Arbeitnehmer schriftlich zu Beginn des Jahres (bis Ende Januar) über den Umfang des bezahlten Jahresurlaubes informieren und damit auch über den noch nicht genutzten Jahresurlaub aus dem Vorjahr.
Neue Kündigungsgründe
Nicht immer ist deutschen Arbeitgebern bekannt, dass es nach bulgarischem Arbeitsrecht eines ausdrücklich im Gesetz geregelten Kündigungsgrundes bedarf, damit eine Kündigung wirksam ist. Nun wurde die Möglichkeit der einseitigen Beendigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist eingeführt, wenn dieser das Rentenalter und die Rentenversicherungszeit erreicht hat. Ferner wurde die allgemeine Kündigung auf Initiative des Arbeitgebers bei Erreichen des Rentenalters und der Rentenversicherungszeit eines Arbeitnehmers wieder eingeführt. Die Rentenversicherungszeit und das Renteneintrittsalter wurden mit der ebenfalls im letzten Jahr parallel durchgeführten Rentenreform stetig angehoben (je zwei Monate pro Kalenderjahr bis 2029, danach je drei Monate pro Kalenderjahr). 2015 war die Regelaltersrente für Frauen mit 60 Jahren und acht Monaten erreicht, bei Männer mit 63 Jahren und acht Monaten bei Vorliegen einer Rentenversicherungszeit von 34,8 Jahren bei Frauen und 37,8 Jahren bei Männern.
Auch kann ein Arbeitnehmer jetzt durch den Arbeitgeber gekündigt werden, wenn er bei Einstellung des neuen Arbeitsverhältnisses bereits eine Rente als „Vorruheständler“ bezieht (Einführung des vorzeitigen Ruhestandes – ein Jahr vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter). Der Arbeitgeber kann nun vom Sozialversicherungsamt dienstlich und unentgeltlich eine Bestätigung über den aktuellen Rentenstatus des Arbeitnehmers erhalten. Diese wesentlichen Änderungen gelten seit dem Januar 2016.
Neue Arbeitsvertragsformen
- Die neue Form eines befristeten Arbeitsvertrages für Saisonarbeiten in der Landwirtschaft (Art.114a KT) soll die saisonale Beschäftigung in der Landwirtschaft legalisieren. Es muss ein Musterarbeitsvertrag verwendet werden, der für jeden Arbeitstag neu geschlossen wird. Die Tagesmindestvergütung für diese Art der Arbeit beträgt zirka 18 Lewa (neun Euro). Der Tagesarbeitsvertrag kann bis zu 90 mal im Kalenderjahr – also bis zu drei Monaten – neu geschlossen werden. Arbeitgeber kann nur sein, wer sich in das sogenannte Landwirtschaftsregister als Landwirt eingetragen hat
- Ausbildungsvertrag im Rahmen einer sogenannten „Dualen Ausbildung“: Die neue Form eines Ausbildungsvertrages macht es nunmehr möglich, Auszubildende (in Anlehnung der in Deutschland bekannten „Dualen Ausbildung“) nicht nur schulisch, sondern parallel dazu im Betrieb auszubilden.
Die arbeitsrechtliche Ausformung und die neue Terminologie eines solchen Ausbildungsvertrages ist den jahrelangen intensiven Bemühungen einiger deutschen Unternehmen in Bulgarien und auch der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer geschuldet – mit dem Ziel, dass die fachliche Berufsausbildung kein Pilotprojekt einiger Weniger bleibt, sondern mittels Sonderregelungen im bulgarischen Arbeitsrecht umgesetzt wird, was bisher nicht der Fall war.
Auszubildende mussten bislang einen regulären Arbeitsvertrag schließen. Nunmehr kann der Ausbildungsvertrag in der Form der „Dualen Ausbildung“ für eine längere Dauer als sechs Monate geschlossen werden. Diese Regelung tritt ab dem 1. August 2016 in Kraft. Auch die Vergütung des Auszubildenden wurde modifiziert. Bislang musste auch den Auszubildenden der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden. Nunmehr soll lediglich 90 Prozent des Mindestlohns an den Auszubildenden vergütet werden.
Pflicht zur Führung einer Personalakte für Arbeitnehmer
Erstmalig und zwingend für jeden Arbeitgeber: In der Personalakte müssen etwa die Unterlagen im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertragsschluss, mit der Ausführung der Arbeitsverhältnisses, Urlaubsanträge, Erklärungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Geschäftsordnung oder anderer interner Regelwerke, Unterlagen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufbewahrt werden. Die Aufbewahrungsfrist der Personalakte durch den Arbeitgeber ist nicht ausdrücklich geregelt. Nach der geltenden Regelung sind die wesentlichen Personalunterlagen- Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Beschlüsse und Kündigungen bei Beendigung und Liquidation eines Unternehmens dem Nationalen Sozialversicherungsinstitut zu übergeben. Der Arbeitnehmer kann Kopien der Unterlagen aus seiner Personalakte beanspruchen.
Ergänzung der Gleitzeitregelung
Bei der im Jahr 1992 eingeführten Gleitarbeitszeit wurde jetzt die Frist des Abarbeitens der Abwesenheitszeiten konkretisiert. Diese sind noch im Rahmen des nachfolgenden Tages oder anderer Tage derselben Woche abzuarbeiten.
Kollektives Arbeitsrecht
Erweiterung der Kooperation zwischen Arbeitnehmer-, Arbeitgeberverbänden und Staat: Durch eine neue Form des Abschlusses einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden „zur Annahme von Gesetzen“ mit der Teilnahme des Staates bei diesen Verhandlungen wird die in anderen europäischen Staaten bereits bekannte Praxis der sogenannten „vereinbarten Gesetze“ der Sozialpartner gesetzlich umgesetzt.