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Haftung von Geschäftsführern in Kapitalgesellschaften bulgarischen Rechts
Für ausländische Investoren ist im Rahmen einer Gesellschaftsgründung die Ernennung eines lokal ansässigen Geschäftsführers aus steuerlichen Gesichtspunkten, aber auch aus Haftungsgründen, die Regel. Die Auswahl eines vertrauenswürdigen Geschäftsführers vor Ort ist von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen und dies nicht nur, weil dieser Geschäftsführer die kulturellen Eigenheiten des Landes und die Sprache besser kennt.
Nicht selten tritt jedoch der Fall ein, bei dem- wegen eines zu schnell gewährten Vertrauensvorschusses oder mangels fehlender Kontrollmechanismen in der Satzung oder dem Geschäftsführungsvertrag- den Geschäftsführern weitestgehende Verfügungsfreiheit gewährt wird, was später böse Folgen für das Vermögen der Gesellschaft haben kann. In solchen Fällen stellt sich für diese Gesellschafter dann die Frage, wie und ob die in Bulgarien gesetzlich geregelte Geschäftsführerhaftung auch justiziabel ist. In diesem Artikel kann nur ein kleiner Umriss dieser Fragen angesprochen werden.
Schadensersatzhaftung nach dem Handelsgesetz
Die Geschäftsführerhaftung gegenüber den Gesellschaft ist im Handelsgesetz geregelt. Danach haftet der Geschäftsführer mit seinem Vermögen für die der Gesellschaft verursachten Schaden.
Das oberste Kassationsgericht nimmt in seinen Entscheidungen hierzu an, dass dies eine besondere Art von Vermögenshaftung darstellt, die durch die zwei verschiedenen Rechtsbeziehungen, in denen der Geschäftsführer zur Gesellschaft steht (zum einen die vertragliche Rechtsbeziehung und zum anderen die organschaftliche Beziehung), bestimmt wird. Somit wird die Vermögenshaftung des Geschäftsführers nicht nur auf der Basis seiner Mandatsbeziehung(Geschäftsführervertrag) begründet, sondern auch auf der Basis seiner organschaftlichen Beziehung zur Gesellschaft. Die Haftung entsteht bei einer schuldhaften und rechtswidrigen Nichterfüllung der rechtlichen Verpflichtungen des Geschäftsführers, dessen Verhalten die Geschäftsführung der Gesellschaft behindert und infolgedessen der Gesellschaft Schäden entstanden sind. Das Vergehen, der sogenannte Geschäftsführungsdelikt (die Nichterfüllung des Geschäftsführungsvertrages), kann alles sein, was schädliche Folgen für die Gesellschaft verursacht hat, z.B. Verausgabung von Gesellschaftsmitteln für persönliche oder familiäre Zwecke, Nutzung von Dienstwagen, Telefon und Technik für persönliche Zwecke, Kauf von persönlichen Gegenständen mit Gesellschaftsmittel. Es können auch Rechtshandlungen sein, wie z.B. Vertragsschluss im Namen der Gesellschaft zur Übertragung von Sachenrechten bei fehlender Entscheidung der Gesellschafterversammlung oder Unterlassungshandlungen, z.B. unterlassener Widersprüch eines Verwaltungsakts, infolgedessen der Gesellschaft Bußgelder oder Sanktionen auferlegt worden sind, Unterlassung von Rechtsschutzmassnahmen oder Berufungen von Gerichtsentscheidungen, Unterlassung von Maßnahmen zur Forderungseinziehung gegen Schuldner, in Ergebnis dessen die Forderungen wegen Verjährung nicht mehr einklagbar sind, mangelnde Kontrolle über die Arbeit der Bediensteten bezüglich der Aufwendung von Gesellschaftsmitteln, Verletzung der Berichtspflicht, unterlassene Sanktionsmassnahmen gegenüber Bediensteten, die disziplinarisch zu ahndende Handlungen ausgeführt haben, Unterlassung von Maßnahmen zwingender Vorgaben staatlicher Verwaltungsorgane, in Ergebnis dessen die Gesellschaft Sanktionen bzw. Verluste erlitten hat. Sollten diese Tatbestände vorliegen, so muss für die Haftbarmachung dem Geschäftsführers zusätzlich nachgewiesen werden, dass dieser schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt hat.
Der geltend zu machende Schaden umfasst sowohl die entstandenen Verluste als auch den entgangenen Gewinn; wegen des Vorliegens von vertraglichen Elementen in den Rechtsbeziehungen werden jedoch nur die Schäden ersetzt, die eine direkte Folge des Vergehens gewesen sind und vorhersehbar waren.
Zusätzlich ist für den Nachweis des Haftungstatbestands erforderlich, dass die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer nicht von der Haftung für den entsprechenden Zeitraum entlastet hat. Auch muss ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers vorliegen. Das Verfahren selbst ist mühsam, da man zunächst auf die Mitwirkung und Engagement der Ermittlungsbehörden angewiesen ist.
Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Fiskus.
Der Geschäftsführer trägt auch Verantwortung als Verwaltungsorgan einer Gesellschaft nach Art. 19 des bulgarischen Steuerverfahrensgesetzes. Mit der letzten Änderung dieser Vorschrift in 2017 wurde die Haftung auch auf die Prokuristen, Handelsvertreter und Handelsgehilfen erweitert. Die Haftung nach Art. 19 stellt eine besondere Art der solidarischen Haftung dar, die sich darin ausdrückt, dass für eine dritte Person die Verpflichtung entsteht, die Verpflichtungen der juristischen Person für Steuern und Sozialversicherungsabgaben zu zahlen. Die Haftung ist ausgeweitet auch auf die Zinsforderungen und Auslagen im Zusammenhang mit der Forderungseinziehung. Für die Inanspruchnahme stellt das Finanzamt einen Revisionsakt an den Geschäftsführer persönlich aus. Die Haftung entsteht erst nachdem die Verpflichtungen gegenüber der verwalteten Gesellschaft festgestellt worden sind, oder zeitgleich mit dieser Feststellung. Die Haftung des Geschäftsführers ist dabei subsidiär (behelfsmässig), entsprechend wird die gerichtliche Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Revisionsakts, mit dem die Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft festgestellt wurden, nicht erneut geprüft, sondern als solche vorausgesetzt – als in Verpflichtung eines in Kraft getretenen Steuerbescheids (so VerwG Varna in einer Entscheidung von 2016). Nach Art. 19 SteuerverfG müssen zwei Voraussetzungen zur Entstehung der Haftung vorliegen, die jedoch nicht beide erfüllt werden müssen. Das ist zum einen die Vertuschung von Fakten oder Umstände, die nach dem Gesetz vor den Steuerorganen hätten erklärt werden müssen und zum anderen Handlungen, die zur Reduzierung des Vermögens der verwalteten Gesellschaft geführt haben. Bei der Vertuschung von Fakten und Umständen beschränkt sich die Haftung bis zum Umfang der nicht eingetriebenen Steuerverpflichtungen. Gemeint sind Nichtabgabe von Erklärungen oder fehlende Angaben in Erklärungen über Beträge, die hätten aufgeführt werden müssen und die zur Erhöhung der erklärten Steuerverpflichtungen geführt hätten. Dabei muss der Geschäftsführer vorsätzlich gehandelt haben, d.h. sein Wissen über die Nichterfüllung dieser Verpflichtung vorgelegen haben. Um letzteres nachzuweisen reicht es aus, wenn die Steuerbehörden feststellen, dass der Geschäftsführer in dieser Funktion gehandelt hat und in dem entsprechenden Zeitraum (ausgeschlossen werden Zeiten in denen die Person im Urlaub oder krank war) als Geschäftsführer tätig war. Wenn verdeckte oder nicht erwähnte Transaktionen (die in der Steuererklärung nicht erwähnt werden) festgestellt werden, liegt die Beweislast für das vorsätzliche Handeln bei dem Geschäftsführer.
Für die Abgrenzung zum fahrlässigen Verhalten wird nach der Rechtsprechung der Nachweis eines zielgerichteter Willens zur Handlung mit dem Ziel des Verschweigens der Umstände verlangt. Das Finanzamt muss in diesem Fall auch den kausalen Zusammenhang zwischen dem Ergebnis der verschwiegenen Tatsachen und Umstände zu der Behinderung der Eintreibung der Steuern und Sozialversicherungsverpflichtungen nachweisen. (VerwG Plovdiv, Entsch.1356 /2015)
Auch sind Handlungen des Geschäftsführers, die zur Reduzierung des Vermögens der verwalteten Gesellschaft führen, als Haftungstatbestände zu betrachten, darunter auch getätigte Zahlungen in bar oder mit Geldern des Vermögens der juristischen Person, die eine sogenannte verdeckte Gewinnausschüttung oder Dividende darstellen, sowie die Ablenkung/Abzweigung von Ressourcen der Gesellschaft zu verbundenen Personen hin. Die Haftung in diesem Fall erfasst die Höhe der ausgeführten Zahlungen. Ein weiterer Haftungsgrund ist die Übertragung von Vermögen der Gesellschaft, kostenlos oder zu niedrigen Preisen unter Marktniveau.
Nach Art. 20 des SteuerverfG wird die Zwangsvollstreckungsmaßnahme zunächst gegen die Gesellschaft und deren Vermögen eingeleitet und wenn kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, in das Vermögen des Geschäftsführers vollstreckt.
Dieser Artikel ist veröffentlicht worden in der Oktober – Ausgabe des bulgarischen Wirtschaftsblattes